Pressemitteilung
Musik für Frühgeborene auf der Intensivstation

Schweizerischer Nationalfonds SNF

21.01.2025, Bern (ots) - Bestimmte Melodien fördern die Entwicklung des Gehirns von Frühchen. Schon vor einigen Jahren beobachtete ein vom SNF unterstütztes Forschungsteam das Phänomen. Nun ist klarer, welche Bereiche des Gehirns im Laufe der Zeit reagieren.

Frühgeborene leiden später überdurchschnittlich häufig unter Aufmerksamkeitsdefiziten und mangelnder Emotionsregulation. Seit fast zehn Jahren untersucht eine vom Schweizerischen Nationalfonds (SNF) unterstützte Forschungsgruppe ein überraschendes Mittel, um das Problem frühzeitig anzugehen: Musik. Im Universitätsspital Genf (HUG) beobachtete das Team bei mehreren Kohorten von Säuglingen, die im Durchschnitt in der 29. Woche geboren wurden, wie diese auf die Klänge reagieren. Bereits frühere Publikationen, die in den Medien viel Beachtung fanden, belegten das Potenzial dieses Ansatzes. Die neueste Studie der Forschungsgruppe zeigt, dass Musik die Verbindungsstruktur im Gehirn dort stärkt, wo Frühchen häufig Defizite aufweisen.

Die letzte Kohorte des Programms bestand aus 60 Frühgeburten, 32 davon erhielten eine Musiktherapie, die anderen 28 bildeten die Kontrollgruppe. MRT-Scans zeigten ab einem Alter von 33 Wochen im Laufe der Zeit Verbesserungen. Konkret beobachteten die Forschenden die bessere Entwicklung von Verbindungen zwischen bestimmten Hirnbereichen, insbesondere im sogenannten Salienz-Netzwerk, das es Menschen ermöglicht, Geräusche und andere Reize zu erkennen und einzuordnen. "Frühgeborene weisen fast immer eine verminderte Konnektivität in diesem Netzwerk auf, auch im Erwachsenenalter", erklärt Petra Hüppi, die das Forschungsprogramm leitet.

Musik des Komponisten Andreas Vollenweider

Essenziell für die Salienz sind die Verbindungen zwischen zwei Hirnregionen: der Inselrinde und dem vorderen zentralen Bereich der Grosshirnrinde. Dank der Salienz verbinden Säuglinge zum Beispiel die Stimme der Mutter mit Wohlbefinden oder das schrille Geräusch eines Alarms mit Angst, bei Frühgeborenen ist diese Fähigkeit jedoch weniger ausgeprägt. Dass sich wiederholende Musik bei der Entwicklung dieses Schaltkreises im Gehirn eine positive Rolle spielen kann, leuchtet ein.

Doch es genügt nicht, wenn auf der Station ständig Mozart gespielt wird. "Auf einer Intensivstation gibt es eine Fülle von Geräuschen und Alarmen, es wäre nicht sinnvoll, diesen Lärmpegel noch zu verstärken", erklärt Petra Hüppi. Die Forschenden verwendeten daher 8-minütige Sequenzen, die sie jedem Neugeborenen individuell über Kopfhörer bei Übergängen von Schlaf und Wachzustand. vorspielten. Der Zürcher Komponist Andreas Vollenweider hat geeignete Stücke geschrieben, die dem Alltag des Säuglings einen Rhythmus geben und beruhigend wirken. Die Babys lernen dabei, die Melodie zu erkennen.

Die erste Kohorte von Frühchen ist heute acht Jahre alt

Zwar ist die Wirkung der Musiktherapie im MRI rasch sichtbar, doch ob der Ansatz langfristig Vorteile bringt, lässt sich nicht sofort sagen. Bald werden die Forschenden jedoch mehr über die erste, 2016 geborene Kohorte aussagen können. Die knapp zwanzig ehemaligen Frühgeborenen sind inzwischen acht Jahre alt. Das ist ein gutes Alter, um neue MRI-Bilder zu machen sowie Verhaltenstests durchzuführen und kognitive Fähigkeiten zu erfassen. Die Ergebnisse, unabhängig davon wie sie ausfallen, müssen durch spätere, grössere Kohorten bestätigt werden. "Der Zeithorizont ist bei diesem Projekt sehr lang", erklärt Petra Hüppi. Das sehr junge Alter der Versuchspersonen stelle ihr Team auch immer wieder vor technische Schwierigkeiten.

Sofern sich die vermuteten positiven Wirkungen bestätigen, könnte Musik in den Intensivstationen für Frühchen zum weltweiten Standard werden. Petra Hüppi ist optimistisch, was die neuen Erkenntnisse angeht, und hat bereits ein entsprechendes Projekt in die Wege geleitet. In Zusammenarbeit mit Labors an der EPFL will sie die Therapie bei Neugeborenen mittels künstlicher Intelligenz automatisieren. "In der Praxis hat niemand Zeit, sich darum zu kümmern, dass für jedem Frühgeborenen zur richtigen Zeit Musik abgespielt wird", erklärt sie. Die KI soll lernen, die Wach-, Einschlaf- und Aufwachphasen von Säuglingen zu erkennen, beispielsweise anhand von Veränderungen der Herzfrequenz, von Gesichtsausdrücken und Bewegungen. Damit alle Frühgeborenen von der positiven Wirkung der Melodien profitieren können.

Pressekontakt:
Petra S. Hüppi
Faculté de médecine
Centre Médical Universitaire
Tel.: +41 22 372 43 52 / +41 79 553 26 06
E-Mail: petra.huppi@unige.ch

21.01.2025 | von Schweizerischer Nationalfonds SNF

--- ENDE Pressemitteilung Musik für Frühgeborene auf der Intensivstation ---

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