Pressemitteilung
Der Bundesrat erarbeitet einen indirekten Gegenvorschlag zur Inklusionsinitiative

Bundesamt für Sozialversicherungen BSV

24.12.2024, Der Bundesrat empfiehlt die Volksinitiative «Für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Inklusions-Initiative)» zur Ablehnung. Dies hat er am 20. Dezember 2024 beschlossen. Er will aber dem Parlament einen indirekten Gegenvorschlag unterbreiten, um den Anliegen der Initiative rascher und konkreter Rechnung zu tragen. Er hat das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) beauftragt, bis Ende Mai 2025 eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten. Er hat das EDI ausserdem damit beauftragt, noch vor dem Herbst 2025 den Handlungsbedarf für eine mögliche nächste IV-Revision darzulegen.

Am 5. September 2024 wurde die Volksinitiative «Für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen (Inklusions-Initiative)» eingereicht. Sie fordert die rechtliche und tatsächliche Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen und Menschen ohne Behinderungen in allen Lebensbereichen. Menschen mit Behinderungen sollen im Rahmen der Verhältnismässigkeit Anspruch auf die nötigen Unterstützungs- und Anpassungsmassnahmen erhalten. Insbesondere sollen sie das Recht haben, ihre Wohnform und ihren Wohnort frei zu wählen.

Initiative geht nicht weiter als die heutige Verfassung
Der Bundesrat unterstützt das Kernanliegen der Initiative. Aus seiner Sicht führt sie jedoch nicht zu direkten Verbesserungen für die betroffenen Menschen. Die Initiative gibt zwar dem Gesetzgeber auf Bundes- und kantonaler Ebene teilweise Vorgaben, die konkreter sind als in der geltenden Verfassung. Diese können jedoch bereits aus dem bestehenden rechtlichen Rahmen abgeleitet werden. Die Bundesverfassung enthält bereits heute einen Auftrag an den Gesetzgeber, Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen. Dabei hat der Bund allerdings nur sehr beschränkte Kompetenzen, um Massnahmen zur Gleichstellung schweizweit vorzuschreiben. Die Hauptverantwortung für die konkrete Umsetzung der Verfassungsbestimmung, zum Beispiel die Förderung selbstbestimmtes Wohnen oder die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, liegt bei den Kantonen. Um den Anliegen der Initiative rascher und konkreter Rechnung zu tragen, stellt der Bundesrat der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser besteht aus zwei Teilen: ein Inklusionsrahmengesetz mit Fokus auf den Bereich Wohnen und eine IV-Teilrevision mit Anpassungen in den Bereichen Hilfsmittel und Assistenzbeitrag.

Inklusionsrahmengesetz
Der erste Teil des indirekten Gegenvorschlags ist ein neues nationales Rahmengesetz zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen. Dazu soll eine Vorlage erarbeitet werden, die Bund und Kantonen eine gemeinsame Stossrichtung und Leitplanken vorgibt. Das Gesetz formuliert Grundsätze für den Bereich des Wohnens. Menschen mit Behinderungen – in der Definition von Artikel 112b der Verfassung – sollen grösstmögliche Wahlfreiheit in Bezug auf die Wohnform und die Unterstützungsmassnahmen haben, die ihrem individuellen Bedarf entsprechen. Ebenso soll der Grundsatz festgehalten werden, dass die Kantone ein vielfältiges Angebot an bedarfsgerechten Unterstützungsmöglichkeiten bereitstellen sowie den Zugang zu preisgünstigen und hindernisfreien Wohnungen fördern und betroffene Personen bei der Wahl ihrer Wohn- und Lebensform beraten. Das Gesetz kann bei Bedarf und auf mittlere Frist auf andere Lebensbereiche ausgeweitet werden.

Massnahmen in der IV
Der zweite Teil des indirekten Gegenvorschlags umfasst Massnahmen in der IV. So soll der Zugang zu modernen Hilfsmitteln der IV (zum Beispiel Hörgeräte oder Prothesen) verbessert werden. Der Bundesrat will im Gegenvorschlag jene Massnahmen umsetzen, die er Ende Juni 2024 in einem Postulatsbericht (19.4380) vorgeschlagen hat. Ziel der Massnahmen ist es, eine breitere Palette von technisch modernen Hilfsmitteln abzugeben und damit die selbstständige Lebensführung der Versicherten unterstützen zu können.

Ausserdem soll der Assistenzbeitrag in der Invalidenversicherung (IV) ausgebaut werden. Bezügerinnen und Bezügern einer Hilflosenentschädigung, die auf regelmässige Hilfe angewiesen sind, aber dennoch zu Hause leben möchten, können mit dem Assistenzbeitrag eine Person einstellen, welche die erforderliche Unterstützung leistet. Die Ausdehnung des Assistenzbeitrags auf Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit fördert deren Selbstbestimmung und entspricht einer immer wiederkehrenden Forderung der Behindertenorganisationen. Der Bundesrat hat das EDI beauftragt, bis Ende Mai 2025 eine Vernehmlassungsvorlage auszuarbeiten, die einen Gesetzesentwurf zur Inklusion und zu den Massnahmen in der IV beinhaltet.

Ausserdem ist vorgesehen, im Rahmen einer künftigen IV-Revision verschiedene Leistungen zu vereinfachen, die das selbstständige Wohnen von Menschen mit Behinderungen fördern. Heute gibt es ein historisch gewachsenes System von IV-Leistungen, die das selbstständige Wohnen fördern. Dazu zählen unter anderem die Hilflosenentschädigung, der Assistenzbeitrag und der Intensivpflegezuschlag. Das Ziel wäre es, dieses komplexe Geflecht an Leistungen in eine einzelne Leistung zu überführen, die ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht und somit ebenfalls den Anliegen der Inklusionsinitiative entsprechen würde.

Botschaft zur Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes
Der Bundesrat hat am 20. Dezember auch die Botschaft zur Teilrevision des Behindertengleichstellungsgesetzes (BehiG) verabschiedet. Diese Teilrevision ist formell nicht Teil des indirekten Gegenvorschlags. Sie nimmt jedoch wichtige Anliegen der Initiative vorweg und bildet insofern mit dem indirekten Gegenvorschlag ein Gesamtpaket. Die Vorlage stärkt die Rechte von Menschen mit Behinderungen auf Teilhabe am öffentlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben. Die Revision soll Verbesserungen in den Bereichen Arbeit und Dienstleistungen bringen. Ausserdem wird die Anerkennung und Förderung der Gebärdensprache gesetzlich verankert (siehe dazu die Medienmitteilung «Der Bundesrat verabschiedet die Botschaft zur Teilrevision des BehiG»).


Medienkontakt:
Bundesamt für Sozialversicherungen
Kommunikation
+41 58 462 77 11
media@bsv.admin.ch

Andreas Rieder
Leiter Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen
EBGB
Tel. 079 475 60 49
andreas.rieder@gs-edi.admin.ch

24.12.2024 | von Bundesamt für Sozialversicherungen BSV

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Über Bundesamt für Sozialversicherungen BSV

Das BSV sorgt in seinem Zuständigkeitsbereich – AHV, Invalidenversicherung, Ergänzungsleistungen, berufliche Vorsorge (Pensionskassen), Erwerbsersatzordnung für Dienst Leistende und bei Mutterschaft sowie Familienzulagen – dafür, dass das Sozialversicherungsnetz gepflegt und den immer neuen Herausforderungen angepasst wird. Zudem ist es auf Bundesebene für die Themenfelder Familie, Kinder, Jugend und Alter, Generationenbeziehungen sowie für allgemeine sozialpolitische Fragen zuständig.

Das BSV kontrolliert die Arbeit der Durchführungsorgane. Es bereitet die laufende Anpassung der Gesetze an die geänderte gesellschaftliche Realität vor. Und zum Teil – etwa im Bereich der Anstossfinanzierung für die familienergänzende Kinderbetreuung – ist es selbst Durchführungsorgan.

Per 1. Januar 2004 wurde das Geschäftsfeld Kranken- und Unfallversicherung (KUV) vom Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) in das Bundesamt für Gesundheit (BAG) überführt. Mit dem Zusammenführen der Gesundheitsfragen in einem Amt sollen Wissen und Kompetenzen in diesem Bereich vereint werden. Mittelfristig erhofft sich der Vorsteher des eidgenössischen Departements des Innern von dieser Reorganisation eine bessere Kenntnis und Kontrolle der Faktoren, die einen Einfluss auf die Gesundheitspolitik haben.


Quellen:
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